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Erbgut entziffert Von Bienen und Menschen

Auf den ersten Blick haben Mensch und Biene nicht viel gemein. Nun haben Forscher das Erbgut des Insekts entschlüsselt: Es ist fast zur Hälfte identisch mit dem des Menschen - und damit eine wertvolle Informationsquelle für Mediziner.

Die Honigbiene und der Mensch haben mehr gemein, als man auf den ersten Blick vermutet. Homo sapiens ebenso wie Apis mellifera (die westliche Honigbiene) sind soziale Lebewesen. Sie leben in komplexen Gesellschaften und müssen mit den damit einhergehenden Problemen fertig werden, beispielsweise dem Kommunikationsbedarf, dem Altern, sozialem Fehlverhalten oder der schnellen Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Die Entzifferung des Bienenerbguts, über die Forscher jetzt im britischen Fachblatt "Nature" berichten, erlaubt neue Einsichten in das komplexe Sozialverhalten der Insekten und ihre geographischen Ursprünge.

Fast die Hälfte der Gene sind die gleichen

Wer vor ähnlichen Problemen steht, findet oft ähnliche Lösungsstrategien, selbst wenn die stammesgeschichtlichen Unterschiede so groß sind wie bei Biene und Mensch. Darin liegt eine unmittelbare Bedeutung der Entzifferung des Bienenerbguts. Nach Angaben des internationalen Bienengenom-Konsortiums unter der Leitung der US-Forscher George Weinstock und Gene Robinson, an dem insgesamt beinahe 100 einzelne Institutionen beteiligt sind, teilt die Biene immerhin noch 47,5 Prozent ihrer Gene mit dem Menschen. Das Genom der Honigbiene werde der Medizin bei der Bekämpfung von Vergiftungen und Allergien, geistigen Erkrankungen, Infektionskrankheiten, Parasiten und in der Altersforschung helfen, erwarten die Forscher. Auch für die Ernährung und Landwirtschaft sei es bedeutsam.

Diese Ziele liegen allerdings noch in weiter Ferne. Zunächst ist es gelungen, die rund 300 Millionen Buchstaben der Bienen-DNA zu entziffern. Etwa 10.000 Gene besitzt die Biene. Die Funktion dieser Gene ist bisher nur in kleinen Teilen bekannt. "Wir haben die Buchstaben, verstehen aber noch nicht, was das Ganze bedeutet", betont Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung.

Sie können gut riechen, aber schlecht schmecken

Erste Analysen gibt es allerdings schon: Im Vergleich zu anderen bereits genetisch entzifferten Insekten hat sich das Erbgut der Honigbiene langsam entwickelt und enthält viele Gene für den Geruchssinn. Honigbienen können also besser riechen als Fruchtfliegen oder Moskitos, allerdings ist ihr Geschmackssinn deutlich schlechter, berichtet Robinson in der Zeitschrift "Genome Research". Die Bienen nutzen ihren ausgezeichneten Geruchssinn zur Kommunikation ebenso wie zur Orientierung und Nahrungssuche.

Das entzifferte Genom weist außerdem darauf hin, dass die westliche Honigbiene ursprünglich aus Afrika stammt und sich von dort in zwei unabhängigen Wanderungen nach Europa ausgebreitet hat, berichtet Robinsons Kollege Charles Whitfield im Fachblatt "Science".

Forschung könnte Alzheimerpatienten nützen

Zunächst hilft die Entzifferung des Honigbienengenoms vor allem der Grundlagenforschung. "Wir können uns keine Bienen mit Wunsch-Eigenschaften basteln", sagt Rosenkranz. Dennoch ist er optimistisch, dass die Entschlüsselung des Bienengenoms später auch einen praktischen Nutzen haben wird. Bienen sind zum Beispiel zu ganz erstaunlichen Lernleistungen fähig, was sich auch an ihrer fortschrittlichen Kommunikation zeigt.

"Honigbienen lernen sehr schnell und gut. Lernprozesse und deren Grundlagen im Genom und im Gehirn kann man bei ihnen deutlich schneller und einfacher untersuchen als beispielsweise bei Menschen oder Primaten", erläutert Rosenkranz. "Da die grundlegenden biochemischen Prozesse bei all diesen Organismen gleich sind, lassen sich so mit Untersuchungen an Bienen wichtige Forschungsergebnisse erzielen, die zum Beispiel auch Alzheimerpatienten nützen können."

Fanni Aspetsberger/DPA DPA

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